Logo Prix Ludovic-Trarieux


 

Esber Yagmurdereli

TÜRKEI

Ludovic-Trarieux Menschenrechtspreis 2000 *

 

 

Esber Yagmurdereli

.

Doktor der Philosophie, Autor und Sprecher der Initiative "Eine Million Unterschriften für den Frieden", der sehbehinderte Rechtsanwalt Esber Yagmurdereli, als Kind erblindet, gehört zu den Intellektuellen in der Türkei, die es wagen, die Politik gegenüber der kurdischen Bevölkerung zu kritisieren.

Am 2 März 2000 wurde sein mutiges Engagement mit der Verleihung des "Internationalen Ludovic-Trarieux-Menschenrechtspreises" gewürdigt. Das Preisgericht fordert seine sofortige und bedingungslose Freilassung?

 

Im Jahre 1978 war Yagmurdereli, geboren in 1945, zum Tode verurteilt worden, nach Anklageerhebung wegen des "Versuchs zur gewaltsamen Änderung der verfassungsmäßigen Ordnung" nach § 146 des türkischen Strafgesetzbuches wurde er 1985 zum Tode verurteilt. Dies konnte jedoch nicht nachgewiesen werden, und das Gericht wandelte das Strafmaß schließlich in "lebenslänglich" um. Wegen seiner Blindheit wurde das Urteil in lebenslange Haft (30 Jahre) umgewandelt. Amnesty kennzeichnete das Verfahren als Hohn auf die Gerechtigkeit und verwies auf eklatante Verstöße gegen international anerkannte Standards für faire Verfahren, speziell Art. 13 und 15 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe und Art.6 der EMRK.

Nach Modifizierung des türkischen Gesetzbuches durch das sogenannte Anti-Terror-Gesetz unterfiel Esber Yagmurdereli einer der dort verankerten Amnestien und wurde 1991, nach über 13 Jahren Haft freigelassen. Eine vom Justizminister angebotene Begnadigung aus Gesundheitsgründen lehnte Esber Yagmurdereli ab: Das komme einem Schuldeingeständnis gleich.

In der Türkei hat er als Verteidiger von GewerkschafterInnen, politischen Gefangenen und vor allem wegen seiner Kritik an den Beschränkungen der Meinungsfreiheit und seiner Vermittlung zur Beendigung eines Hungerstreiks in einem türkischen Gefängnis große öffentliche Aufmerksamkeit erlangt. Seit seiner ersten Verhaftung im Jahre 1978 durchlebt er eine Odysse strafrechtlicher Verfolgung.

Am 8. September 1991 kritisierte er die türkische Regierung in einer Rede auf einer Versammlung, die der türkische Menschenrechtsverein in Istanbul organisiert hatte. Er warf der Regierung vor, die Menschenrechte der kurdischen Minderheit zu unterdrücken. Er wurde von dem 2. Istanbuler Staatssicherheitsgericht nach Artikel 8 des "Anti-Terror-Gesetzes " zu 10 Monaten Haft verurteilt. Er war nun wieder draußen, sein Verfahren ging in Revision. Yagmurdereli gab keine Ruhe, er war an allen Aktionen für Menschrechte und Frieden beteiligt. Aber im Mai 1997 war Yagmurdereli vom Kassationsgericht in Ankara wiederum wegen "separatistischer Propaganda" zu zehn Monaten Haft verurteilt worden. Dann im September 1997 das Strafgericht von Samsun, vor dem er 1978 angeklagt war, entschied daraufhin 1997, daß er damit die Freilassung aus dem Jahre 1991 verwirkt habe und somit die dreißigjährige Haftstrafe wieder auflebt.

In der Nacht vom 19. auf den 20. Oktober 1997 in Istanbul die türkische Polizei nach der Teilnahme an einer nächtlichen Diskussionssendung des Privatsenders "Kanal-D" vor dem Studiogebäude hat den blinden Menschenrechtler festgenommen und ihn zum Absitzen einer umstrittenen lebenslangen Haftstrafe ins Gefängnis gebracht. Mit dieser Festnahme bestätigt sich die einhellige Aussage aller Menschenrechtsorganisationen über die verheerende menschenfeindliche Situation in diesem Polizeistaat. Er wurde nach drei Wochen aus der Haft entlassen. Aber die Staatsanwaltschaft hatte nur die Aussetzung der Strafe für ein Jahr aus Gesundheitsgründen verfügt. Seit dem 1. Juni 1998 ist Esber Yagmurdereli wieder in Haft genommen worden, nachdem er sich geweigert hatte, ein Gesundheitsattest vorzulegen. Er sei unschuldig, argumentiert er. "Meinungsfreiheit darf kein Verbrechen sein" sagte er bei seiner Festnahme zu Journalisten. Zusammen mit anderen Strafen, die zum Teil bis in die 70er Jahre zurückreichen, wurde eine Gesamtstrafe von 17 Jahren verhängt.

Trotz der erlebten und der bevorstehenden Entbehrungen, bereut er nichts: "Ich hoffe, daß meine Lage dazu beitragen wird, daß Problem der freien Meinungsäußerung in der Türkei zu lösen." Er bleibt dabei, eine Begnadigung abzulehnen, da dies Reformen verzögere, zu denen die türkische Regierung seiner Ansicht nach früher oder später gezwungen sein wird.

 

* Prize elected by the Jury on March 2nd 2000. It must be specified, that the Prize is regarded as definitively awarded only if the member elected or a member of his family accepts it and comes to receive it at the time of a ceremony from handing-over which is held in BORDEAUX, and takes place in the current of second quarter 2000.